Energetische Sanierungspflicht für Bestandsgebäude?
Das Europäische Parlament beschließt strengere Anforderungen an die Energieeffizienz von Gebäuden. Laut EU-Kommission sind Gebäude für 40 Prozent des Energieverbrauchs und 36 Prozent der Treibhausgasemissionen in der Europäischen Union verantwortlich. Ziel der Vorgaben im Rahmen des Klimapakets "Fit for 55" ist es, die CO2-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent zu senken.
Diskutiert wird derzeit eine Einstufung der Gebäude in Effizienzklassen von A bis G. Dabei soll die Klasse G den schlechtesten 15 Prozent entsprechen. Insbesondere diese Gebäude sollen bis 2030 mindestens auf Klasse E verbessert werden, allerdings nur bei Verkauf, größerer Renovierung oder Neuvermietung.
Die genaue Ausgestaltung der Regelungen, ob und wann Maßnahmen zur Effizienzsteigerung erforderlich sind, wird derzeit mit den Mitgliedsstaaten abgestimmt.
Die zu erwartenden hohen Kosten sollen durch finanzielle Anreize der jeweiligen Mitgliedstaaten sowie aus dem EU-Haushalt abgefedert werden. Auch hier sind Art und Höhe der Förderung noch völlig offen.
Dennoch ergeben sich aus dieser Diskussion in Verbindung mit den ESG-Anforderungen bereits Handlungsempfehlungen für die Immobilienfinanzierung.
Banken führen bereits mit unterschiedlicher Systematik und Geschwindigkeit Scoringmodelle für ESG-Kriterien sowohl auf Kunden- als auch auf Objektebene ein und lassen die Ergebnisse in die Gesamtbewertung bei der Vergabe von Immobilienfinanzierungen einfließen.
Neben der verpflichtenden Vorlage von Energieausweisen (oft verbunden mit einer Mindestvorgabe von C oder D) werden beim ESG-Scoring deutlich mehr Daten in Form von Fragebögen erhoben und bewertet. So wird z.B. der CO2-Fußabdruck über die Abfrage der Treibhausgasemissionen (CO2-Äquivalente) der letzten 3-5 Jahre sowie geplante Einsparungen auch über noch zu tätigende Investitionen in den kommenden Jahren abgefragt.
Unterstützend zur regelmäßigen Aktualisierung des Energieausweises, insbesondere bei bereits erfolgten baulichen Veränderungen, lohnt es sich, weitere Objektdaten zu erheben und den zukünftigen Investitionsbedarf zur Verbesserung der Energieeffizienz abzuschätzen. Auch eine Anpassung der Art der Energieerzeugung, z.B. bei Fernwärme, kann zu einer Verbesserung der ausgewiesenen Effizienz beitragen, wenn der Versorger verstärkt erneuerbare Energien einsetzt oder auf Kraft-Wärme-Kopplung umstellt. In einem aktuellen Beispiel hat sich dadurch die CO2-Bilanz eines Gebäudes im Energieausweis ohne Investitionen bereits um zwei Klassen von F auf D verbessert.
Insbesondere Bestandshalter mit großen Beständen stehen vor der Herausforderung, diese Daten sicher zu erheben und aktuell zu halten und gleichzeitig die Gebäudesubstanz auf notwendige und wirtschaftlich sinnvolle Maßnahmen zu untersuchen. Sofern die Expertise nicht „inhouse“ vorhanden ist, sollten möglichst frühzeitig externe Dienstleister eingebunden werden, da mit einer erhöhten Nachfrage und Bearbeitungsdauer zu rechnen ist.
Neben der auf europäischer Ebene laufenden Gesetzgebung zur Energieeffizienz der Gebäudesubstanz verstärkt auch die Bundesregierung die Anstrengungen zur Energiewende im Gebäudesektor durch Vorgaben zur mit Heizungsausstattung. Dazu wird das Gebäudeenergiegesetz überarbeitet.
Nach derzeitigem Stand müssen ab dem 01.01.2024 alle neu installierten Heizungen zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden, und zwar sowohl bei Neubauten als auch beim Austausch von bestehenden Heizungen.
Der Fokus liegt dabei verstärkt auf dem Einsatz von Wärmepumpen. Daneben sind Hybridheizungen, Holzheizungen und auch wasserstoffbasierte Systeme zulässig.
Generell besteht keine Austauschpflicht für laufende Heizsysteme. Diese dürfen weiterhin betrieben und bei Bedarf repariert werden.
Da insbesondere Wärmepumpen in sehr energieeffizienten Gebäuden ihre Vorteile ausspielen können, ist die Verbindung des Heizungsaustausches mit zusätzlichen Maßnahmen, z.B. bei der Dämmung, die angestrebte Ideallösung.
Eigentümer und Käufer stehen nunmehr vor der Herausforderung, nicht nur die Gebäudesubstanz, sondern auch die Wärme- und ggf. Kühlsysteme zu prüfen und eine Strategie für die erforderliche Anpassungen in Verbindung mit einer Zeit- und Kostenplanung zu entwickeln.
Zur Unterstützung der Maßnahmen sind bereits jetzt verschiedene Fördermittel verfügbar. Weitere Förderungen sollen im Gesetzgebungsverfahren beschlossen und bereitgestellt werden. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben jedoch gezeigt, dass diese Mittel oft in zu geringem Umfang zur Verfügung standen und daher schnell ausgeschöpft waren.
Wir empfehlen daher, möglichst frühzeitig mit den erforderlichen Untersuchungen und Planungen zu beginnen, um rechtzeitig die Mittel sichern zu können
Über allen Maßnahmen schwebt die Frage, ob sich die Investitionen auch wirtschaftlich lohnen.
Aktuell ist aufgrund der geringen Investmenttätigkeit die Datenlage eher anekdotisch. Erste Erfahrungen zeigen jedoch, dass z.B. Büromieter bereit sind, für hocheffiziente grüne Gebäude auch Mieten über dem Marktniveau zu akzeptieren. Gleichzeitig können zumindest bei Neubauten höhere Kaufpreise erzielt werden. Dagegen sind die Wert- und Mietsteigerungen bei Sanierungen auf niedrige Effizienzniveaus vorerst begrenzt.