August 2022

Inflationsbekämpfung oder Konjunktur


Unsere Zinsprognose ist ein Ergebnis interner Diskussionen, in denen wir Zinsprognosen der Großbanken erörtern. Wir geben Ihnen auf dieser Seite unsere Meinung als Anregung für Ihre Überlegungen weiter. Bitte beachten Sie, dass eine Untersuchung aller bisher verwendeten ökonomischen Prognosemodelle ergab, dass kein Model in der Lage war, die konjunkturelle Zukunft vorherzusagen.

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Diesmal haben wir eine Auswahl von Prognosen einiger Research Abteilungen von Großbanken aus dem Sommerloch August ausgewertet. Die Vorhersagen unterscheiden sich deutlicher als sonst, besonders in Bezug auf die Zinsentwicklung für 2023. In Jackson Hole (Wyoming, USA) fand am 26.08.2022 das Treffen der internationalen Notenbanken statt. Das so klare Bekenntnis der Notenbanken zur Inflationsbekämpfung wurde in den vorgenannten Prognosen nicht erwartet.  


Dass die aktuellen wirtschaftlichen Frühindikatoren schlecht sind und erstmal so bleiben, ist klar. Der reale Einkommensverlust wird nun seine Wirkung zeigen und eine technische Rezession – hier besteht Konsens – unvermeidlich sein.


In den Euroländern wird eine Inflationsrate von 7,6 - 8,0 % für 2022 erwartet. Für 2023 gehen die Erwartungen allerdings stärker auseinander und liegen bei 4,2 - 5,5 %. Für Deutschland liegen diese um bis zu 1,0 % höher als im Euroraum.


Wegweisend wird nun sein, wo die EZB ihre Prioritäten setzt: Allein auf die Inflationsbekämpfung, wie die US-Notenbank? Oder soll der Konjunktureinbruch in der EU begrenzt werden und damit eine etwas höhere Inflation in Kauf genommen werden?


In den USA setzt die FED entschlossen auf die Inflationsbekämpfung und hat die Zinsen bereits früher und deutlicher als die EU erhöht. Ähnlich wie in der EU ist hier die Beschäftigung hoch und der angespannte Arbeitsmarkt kann eine Lohn-Preis-Spirale in Gang setzen.


In den Prognosen werden weitere Leitzinserhöhungen von der EZB für 2022 erwartet, von heute 0,5 % auf 1,0 bis 1, 25 %. Im Folgejahr könnte die EZB abwarten, ob eine mögliche Rezession ausreicht, um die mittelfristige Inflationsrate in Richtung 2 % zu drücken. Dennoch sollte der Leitzins Ende 2023 bzw. im Laufe von 2024 auf ca. 2 % erhöht werden. 


Für die Entwicklung des 3-Monats-EURIBOR im Jahr 2023 gehen die Auffassungen noch weiter auseinander. Die Bandbreite in den Prognosen bewegt sich zwischen 0,95 % und 1,85 %. 


Im Kapitalmarkt laufen die Prognosen ähnlich auseinander. Zum Jahresende 2022 könnte der 10-jährige MID-SWAP von heute ca. 2,41 % auf 1,75 % sinken - oder auf dem heutigen Niveau bleiben. Für 2023 laufen die Erwartungen noch weiter auseinander: von 1,95 % bis zu 2,65 % für den 10-Jahres-Mid-SWAP.1



Unsere Meinung:


Nach den Aussagen aus Jackson Hole vom vergangenen Freitag wollen die Notenbanken stärker die Inflation bekämpfen und die Zinsen weiter erhöhen, für eine längere Zeit gar oben halten. Aus unserer Sicht sind die o. g. Zinserwartungen aus den Prognosen überholt. Die Zinsentwicklung wird oberhalb der genannten Bandbreiten verlaufen.


Die Arbeitsmärkte sind auch in Deutschland sehr eng und werden durch Verrentungen in den kommenden Jahren weiter eng bleiben. Viele Berufsgruppen haben eine erhebliche Verhandlungsmacht bei Tarifverhandlungen in der kommenden Zeit. Die Inflation bekommt hier neue Nahrung.



Berlin, den 29.08.2022




1) Nicht alle Prognosen nennen die MID-SWAP Sätze. Wo nur 10-jährige Renditen für Bundesanleihen genannt werden, rechnen wir diese mit einem festen Spread von 0,90% in den MID-SWAP um. ​​​​​​​

Autor

Asger Nielsen

Geschäftsführender Gesellschafter


asger.nielsen(at)dima-finanzierung.de

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