ZINSPROGNOSE

Stand September 2024

Unsere Zinsprognose ist ein Ergebnis interner Diskussionen, in denen wir Zinsprognosen der Großbanken erörtern. Wir geben Ihnen auf dieser Seite unsere Meinung als Anregung für Ihre Überlegungen weiter. Bitte beachten Sie, dass eine Untersuchung aller bisher verwendeten ökonomischen Prognosemodelle ergab, dass kein Model in der Lage war, die konjunkturelle Zukunft vorherzusagen.

Seit unserer letzten Zinsprognose im Juni sind die Inflationsraten weiter gesunken. Im August näherte sich die Gesamtinflation im Euroraum mit 2,2 % erstmals wieder dem Inflationsziel der EZB von 2 %. Die Kerninflation ist zwar ebenfalls weiter rückläufig, liegt aber immer noch bei 2,8 %.

Der Rückgang der Gesamtinflation ist hauptsächlich auf die Energiepreise zurückzuführen, die nicht in der Kerninflation enthalten sind. Der Preisanstieg bei Nahrungsmitteln ist mit rund 3 % nach wie vor hoch. Hauptbelastungsfaktor sowohl für die Gesamtinflation als auch für die Kerninflation bleibt die hohen Preissteigerungen im Dienstleistungssektor.

Insgesamt geht die EZB in ihrer aktualisierten Prognose von weiter sinkenden Inflationsraten in den kommenden Jahren aus. So soll die durchschnittliche Inflationsrate 2025 bei 2,2 % liegen, bevor sie 2026 mit 1,9 % erstmals wieder unter das Inflationsziel fällt. Für das vierte Quartal 2024 rechnet die EZB hingegen aufgrund von Basiseffekten vorübergehend wieder mit einem Anstieg der Inflation, da die hohen Rückgänge der Energiepreise aus dem Jahr 2023 aus der Jahresbetrachtung herausfallen.

Aufgrund der sich insgesamt weiter entspannenden Inflationslage hat die EZB am 12.09.2024 die erwartete Zinssenkung vorgenommen. In diesem Zusammenhang wurde auch die im März angekündigte Änderung des geldpolitischen Handlungsrahmens umgesetzt und der Zinssatzabstand der Hauptrefinanzierungsgeschäfte zur Einlagenfazilität auf 0,15 % reduziert.

Insbesondere über die Einlagefazilität soll künftig die Steuerung der Marktzinsen erfolgen. Dies spiegelt sich bereits in den EURIBOR-Sätzen wider. Der 3-Monats-EURIBOR liegt derzeit bei rund 3,5 % und damit auf dem Niveau der Einlagefazilität.

Da die EZB derzeit in ihrem Basisszenario von einem Erreichen des Inflationsziels im Jahr 2026 ausgeht, sind weitere Zinsschritte in naher Zukunft zu erwarten. Begünstigt werden diese auch dadurch, dass ein Großteil der EZB-Ratsmitglieder den neutralen Zinssatz derzeit bei 2 bis 2,5 % verorten, wie die Commerzbank kürzlich unter Berufung auf den französischen Notenbankchef Villeroy de Galhau berichtete. Demnach könnte im Dezember ein weiterer Zinsschritt folgen, selbst wenn die Inflationsrate in den kommenden Monaten leicht ansteigt – insbesondere dann, wenn ein Rezessionsszenario eintritt oder für die erste Jahreshälfte 2025 ein deutlich schnellerer Inflationsrückgang erwartet wird.

Im Unterschied zum „kleinen“ Zinsschritt der EZB hat die Fed am 18.09.2024 einen „großen“ Zinsschritt von 0,5 Prozentpunkten vorgenommen. Im Vorfeld der Entscheidung waren sich Analysten uneinig über die zu erwartende Höhe des Zinsschritts. Die Fed verwies in ihrer Begründung auf die weiter rückläufige Inflation. Die Höhe des Zinsschritts begründete Powell mit einer drohenden Abkühlung des Arbeitsmarkts. Wirtschaft und Arbeitslosenquote sollten durch den größeren Zinsschritt stabilisiert werden. Eine Rezession wird von der Fed derzeit nicht befürchtet, stattdessen erwartete die US-Notenbank weiterhin eine „soft landing“. Wörtlich sagte Jerome Powell:

„Der Arbeitsmarkt befindet sich in einer soliden Verfassung, und mit unserem heutigen Schritt wollen wir dafür sorgen, dass dies so bleibt. Das kann man über die gesamte Wirtschaft sagen: Die US-Wirtschaft ist in guter Verfassung. Sie wächst in einem soliden Tempo, die Inflation geht zurück. Der Arbeitsmarkt ist in einem starken Tempo. Wir wollen, dass das so bleibt. Das ist es, was wir tun.“

Im Gegensatz zur EZB hat die Fed nicht nur den Auftrag, die Inflation zu beeinflussen, sondern auch für eine stabile Beschäftigung zu sorgen.

Die Projektionen der Fed gehen von mindestens einem weiteren Zinsschritt um 25 Basispunkte in diesem Jahr aus. Der Dot Plot, der die Leitzinsprognosen der Mitglieder des geldpolitischen Ausschusses zeigt, lässt aber auch (mit minimaler Tendenz) Zinssenkungen um 50 Basispunkte bis zum Jahresende zu. Gegenüber Juni 2024 wurden die Projektionen deutlich nach unten korrigiert, sodass der US-Leitzins Ende 2025 nun in einer Spanne von 3,25 % bis 3,5 % liegen könnte. Dies impliziert Zinssenkungen um insgesamt 1,5 Prozentpunkte.

Erste Reaktionen aus Deutschland und Europa auf den Zinsschritt der Fed lassen erwarten, dass sich die günstigeren Finanzierungsbedingungen in den USA auch positiv auf die Exportnachfrage auswirken und damit zu einer stabileren Konjunktur im Euroraum beitragen könnten. Ob dies auch Auswirkungen auf die Inflationsentwicklung haben wird, bleibt abzuwarten.

Weitere EZB-Sitzungen mit Zinsentscheidungen finden im Oktober und Dezember 2024 statt. Einen Zinsschritt im Oktober erwarten wir nicht, da sich die Effekte der geldpolitischen Maßnahmen der EZB und Fed vom September bis dahin noch nicht ausreichend manifestiert haben dürften. Einen Zinsschritt der EZB im Dezember halten wir hingegen für wahrscheinlich, wenn die Inflation im Rahmen der Erwartungen bleibt.

Für die 10-jährigen Mid-Swap-Sätze gehen wir aufgrund unserer Überlegungen zunächst von einer Seitwärtsbewegung bis in den Oktober hinein aus. Ab November könnten die Swaps dann beginnen, die erwartete Zinssenkung einzupreisen und in Richtung 2,25 % sinken.

Autor: Robert Rakau (Partner, Senior Consultant)